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Reisebericht: 2500 Kilometer mit dem Trimobil nach Sardinien

Es war im Sommerurlaub 2017 in Ungarn, wir fuhren zu Viert mit dem Trimobil den Plattensee entlang, als unser vierjähriger Sohn vor Begeisterung sagte: "Ich möchte mit dem Fahrrad durch alle Länder in Europa fahren, wo kein Krieg ist." Das sind glücklicherweise momentan ziemlich viele. So viele, dass die Reise vermutlich mindestens ein Jahr dauern würde und damit augenblicklich auf unbestimmte Zeit verschoben werden musste, "wenn Du also groß bist und nicht mehr zur Schule gehst und Papa dann noch genauso fit ist wie Du..."

Irgendwann im Spätherbst fiel uns dann ein, dass 2018 tatsächlich das letzte Jahr mit zwei noch nicht schulpflichtigen Kindern für uns sein würde und die mögliche Elternzeit meiner Frau noch nicht annähend ausgeschöpft...

Also überlegten wir, wo wir denn in einer Jahreszeit radeln könnten, die halbwegs kompatibel zur Arbeit in meiner Fahrrad-Firma erscheint: Sardinien, das kannten wir schon und wir wollten schon lange einmal über die gesamte Insel radeln. Und warum nicht praktischerweise gleich mit dem Rad zu Hause starten?

Einige Monate und viele organisatorische Maßnahmen später radelten wir spätnachmittags los; ich hatte noch viel in der Firma zu erledigen und nach einem  Sturz in der Firma einige Tage zuvor einen letzten Termin bei der Physiotherapeutin ergattert. "Bevor wir gar nicht mehr loskommen, fahren wir jetzt noch, und wenn wir direkt hinter der Elbe zelten.... !"   

Eigermassen überladen radeln wir also mit unserem 5 Jahre alten Trimobil nach Italien. Eine echte Belastungsprobe für das Trimobil und vielleicht eine Inspiration für das eine oder andere zukünftige Familien-Fahrraderlebnis?!

Also erstmal gen Westen Richtung Glückstadt - mit dem Segen des Bischofs, der auf seiner Sommerradtour mit einigen ADFClern direkt an unserem ursprünglich geplanten Abreisemontag noch in der Firma vorbeigeschaut hatte. In der Nacht zuvor hatte ich gerade noch eine Auto-Dachbox für unser gesamtes Gepäck auf unser 5 Jahre altes Trimobil montiert und an meine Armlehne ein Slipstream-Anhängerad mit 3-Gang Schaltung für unseren Sohn, damit ihm im Kindersitz neben seiner Schwester nicht langweilig wird. Eine gute Idee, wie sich spätestens in der Provence herausstellen sollte, denn ohne seine zusätzlichen "paar" Watt hätten wir so manchen unserer gut 7000 Höhenmeter nicht tretend überwunden...

Auf der Elbfähre kontaktierten wir eine "Warmshowers-Familie" mitten im Moor, die uns dann etwa 50 Kilometer später mit einem leckeren Abendbrot auf der Terrasse im Sonnenuntergang erwartete. Und wir stellten fest, dass über 80 Kilometer selbst im norddeutschen Flachland das absolut obere Ende einer familiengerechten Etappe darstellen. Am nächsten Mittag starteten wir dann nach einigen Regenschauern zu unserem guten Freund Falko Richtung Bremen - und radelten gut 100 Kilometer... Schließlich wollten wir trotz einiger Navigationsfehler und leerer Akkus in jedem Fall dort ankommen. Noch nix dazugelernt...

Bei schönstem Sommerwetter genossen wir mit Falko Bremen, das traditionelle Kutterpullen und ein Bad in der Weser, um , schon wieder erst gegen Mittag, aber nun mit voll geladenen Akkus, unseren Weg nach Süden fortzusetzen. Wir hatten uns eine Route entlang der  Weser Richtung Rhein und dann die Rhone entlang ausgesucht, um die Alpen und die entsprechenden Anstiege und Gefällestrecken zu umgehen. Ich hatte unser Gesamtgewicht auf gut 300kg geschätzt, also im Bereich des Zulässigen, jedoch zeigte eine Anhängerwaage auf einem Gemüseacker bei Heidelberg später digitale 360 Kilo an. Das war zwar zu tolerieren, aber der hohe Schwerpunkt unseres Gepäcks forderte seinen Tribut...

Schon nach den ersten Kilometern zu den Schwiegereltern - meine Frau hatte vormittags mit den Kindern das Trimobil fertig beladen und ich war da noch  in der Physiopraxis und fehlte daher als Ballast auf dem Rücksitz - mailte meine Liebste: Wir können so nicht losfahren; bei jeder Bodenunebenheit könnten wir umkippen! - Wir hatten leider keine Zeit gehabt, das voll beladene Trimobil vorher auch nur ansatzweise zu testen...

Mein Gewicht stabilisierte das Fahrzeug erheblich und mit etwas Übung hatten wir bereits in Glückstadt keinerlei Bedenken mehr, unsere "Reisegeschwindigkeit" von knapp 20 km/h auf allen Fahrbahnoberflächen zu fahren. Später sollten es dann des Öfteren auch über 50km/h werden, teils mehrere Kilometer bergab: Herrlich. Routine eben...

Bereits bevor wir in Leverkusen den Rhein erreichten - und hier zum ersten und einzigen Mal das Trimobil an einer Baustelle satt auf die Seite legten -, hatten wir abends bei einem netten Gastgeber in Beckum das Gefühl, einmal unter den Laufradverkleidungen nach dem rechten, genauer gesagt, nach den Speichen, sehen zu müssen: Ich ersetzte daraufhin 10 von 36 möglichen Speichen im linken Hinterrad, über dem ich üblicherweise meine knapp 90 Kilo "ablege". Genau 10 Ersatzspeichen hatte ich für die gesamte Reise dabei, so dass ich später die entstandenen Lücken abends gleichmässig über die beiden Hinterräder verteilte, bis in Marseille endlich das Paket mit den 20 neuen Speichen aus der Firma eintraf. Außerdem tauschten meine Liebste und ich nun unsere seit Jahren angestammten Positionen, um das Hinterrad zusätzlich um gut 30kg zu entlasten…: Ich übernahm vorne die Lenkung und meine Frau die Navigation.

Der gute alte Rheinradweg beeindruckte uns landschaftlich und mit sehr schönen Gelegenheiten, direkt am Ufer zu zelten, ist allerdings teils in einem renovierungsbedürftigen Zustand: Er fällt häufig deutlich zum Rhein hin ab, was einem Zweirad relativ egal ist, ab 10 Grad Neigung ein Dreirad mit extrem hoher "Dachlast" aber in sehr kritische Situationen bringt - und die Hinterräder durch den so entstehenden Hebel extrem belastet. So platzte uns bei der Abfahrt durch ein kleines Weindorf plötzlich ein Reifen - und wir hatten doppeltes Glück: Uns folgte in dem Moment kein Fahrzeug und es gab in dem Ort einen Senioren, der in seinem Heizungskeller eine kleine Fahrradwerkstatt betreibt - und auf dem Dachboden tatsächlich einen stabilen, unbenutzten 20" Schwalbe BMX-Reifen findet.

Der Reifenplatzer war neben den bereits zitierten Speichenbrüchen und zwei platten Schläuchen dann auch unsere zeitaufwendigste Panne auf 2500 Kilometern. Darüber hinaus mussten wir auf einer langen steilen Abfahrt auf Sardinien einmal eine halbe Stunde pausieren, um die Magura Scheibenbremsen wieder abkühlen zu lassen - und sicherheitshalber die - bis dahin noch nicht einmal sonderlich abgenutzten - Beläge auszutauschen.

Nach einigen Übernachtungen im Zelt, bei interessanten WarmShowers-Gastgebern sowie bei Freunden in Heidelberg überquerten wir Richtung Straßburg ein letztes mal den Rhein, um dann im gelobten "Land der Weißbrote" (unser Sohn) eine der schönsten Strecken zu erleben: Entlang des Kanalsystems Rhone au Rhin durch das französische Jura Richtung Rhone. Kanalradwege auf ehemaligen Treidelpfaden kannten wir schon von früheren Liegeradtouren zum Beispiel am Kanal du Midi, aber die vielfältige Landschaft entlang des Radweges E6 mit Städten wie Chalon Sur Saone und Montbeliard ist großartig. Oft haben wir direkt an einem ehemaligen Schleusenwärterhäuschen gezeltet und konnten dort freundlicherweise über Nacht unsere Akkus aufladen.

In Tournus findet sich an der Saone neben einer mächtigen Klosterkirche auch ein Fahrradmuseum, wo wir uns unter anderem die historische Verwandtschaft unseres Trimobil ansehen konnten und einige Exponate auch fahren durften. In Lyon, das ich bisher nur beim Durchfahren per Auto als Horror erlebt hatte ("toutes directions a Paris"...), hätten wir Tage verbringen können, hatten das aber leider nicht eingeplant: Der einzigartige Stadtpark ("können wir uns hier nicht um 22 Uhr einschließen lassen und zelten?") und der supermoderne Fahrradtunnel waren für uns die Highlights.

Leider sind die wunderbaren Radwege entlang der Rhone offensichtlich nicht für Dreiräder vorgesehen. Bedingt durch Poller und andere Absperrungen mussten wir immer wieder Um- oder gleich Rückwege fahren, so dass wir uns letztendlich entschieden, nur noch Straßen zu nutzen, auch wenn diese nicht immer der Ideallinie folgten, darunter auch stark befahrene Nationalstraßen. Hier habe ich erstmals am eigenen Leib erfahren, dass Dieselfahrverbote absolut Sinn machen: Ich litt mehrere Wochen unter diversen Atemwegproblemen.

Der traumhafte Sommer 2018 wurde gerade zu der Zeit unterbrochen, als wir im Ruhrgebiet unterwegs waren, so dass wir beispielsweise in Essen bei 13 Grad und Nieselregen in den Tag starteten. Damit hatten wir nicht gerechnet und waren auch bekleidungsmässig nicht darauf eingestellt. Also  trösteten wir uns damit: "Spätestens in der Provence ist wieder Sommer...". Den erlebten wir zwar schon ab Straßburg, die Provence war aber meine meistersehnte Lieblingsregion: Wärme, Geruch, Landschaft - und irgendwann endlich im Mittelmeer baden. Dazu außerdem kräftiger Rückenwind, so dass wir schnell unterwegs waren und des Öfteren mal einen Tag pausieren konnten, wo es uns besonders gut gefiel. Zumal wir uns kurzfristig für die Sardinienfähre von Marseille aus entschieden hatten, die nur einmal pro Woche fährt, anstelle der meistgenutzten und preiswerteren von Toulon aus. Der Hauptgrund: knapp 600 zusätzliche Höhenmeter, verteilt auf etwa gut 50 Kilometer.

So rollten wir eines morgens die letzen Küstenkilometer hinunter nach Marseille und unternahmen eine kleine Stadtrundfahrt zum Hafen, um bereits am kommenden Morgen in Porto Torres den ersten Cappucino con dulci zu uns zu nehmen. Unsere Kinder kennen und lieben bereits das zweite Frühstück in Italien, das wir unterwegs nach dem morgendlichen Bananenmatsch mit Haferflocken am Zelt genießen. Dann bläst uns der immer noch frische Nordwind innerhalb von zwei Stunden nach Alghero, wo wir einen uns noch unbekannten Campingplatz in den Dünen aufsuchen. Da wir gut im Zeitplan sind und wir sehr nette Bekanntschaft schließen, genießen wir auch hier ein paar sonnige Tage.

Auf unserem Weg vom Nordwesten Sardiniens ans südöstliche Cabo Carbonara wählen wir die vermeintlich flachste Strecke entlang der Westküste über Bosa, dann durch das Binnenland bis zu den Salinen vor der Hauptstadt Cagliari und dann weiter an der Südküste nach Osten. Viele Strecken kennen wir bereits, allerdings nur vom Campingbus aus - und da gab es doch niemals so viele Serpentinen, oder...!? Die Steigungen sind doch extremer als erwartet, allemal heftiger als in der Provence. In Verbindung mit einigen Dauerregentage in unserem Mini-Zelt führen sie uns noch einige Male an die Grenzen. Mit Unterstützung unseres Sohnes im Wiegetritt auf seinem Anhängerad und lautstark angefeuert von unserer Tochter erklimmen wir tatsächlich jeden Hügel, wenn auch mit dem gefühlt allerletzten Watt...

Im Süden der Insel ist das Wetter dann wieder so schön wie schon in Alghero und meine Frau hat den Plan, die relativ quirlige Haupt- und Hafenstadt Cagliari von West nach Ost zu umfahren: Kurze Zeit später finden wir uns mit dem Trimbil auf einer gut frequentierten Autobahn Richtung Cagliari wieder, die wir dann nach etwa 12 Kilometern recht zügiger Fahrt - schließlich sind wir ohne jegliche Behinderung durch Fußgänger, Ampeln oder Kreuzungen unterwegs - wieder verlassen. Ich war dann gleich noch einmal verblüfft: Meine Frau hatte mir nicht gesagt, dass Sie die quirlige Stadt Caliari südlich umfahren wollte - durch die noch quirligere Altstadt über das jahrhundertealte Kopfsteinpflaster am Hafen...

Es war Sonnabend und so erlebten wir die Stadt und ihre Strände einmal so richtig im Wochenendtrubel. Nach einer Übernachtung auf einer kleinen Halbinsel lagen am letzten Tag der Tour noch einmal atemberaubend schöne Küstenabschnitte vor uns. Allerdings auch die entsprechend atemberaubend anstrengende Küstenstraße...

Kurz vor dem letzen kleineren Anstieg konnten wir in der Abendsonne bereits unser Reiseziel am Horizont erkennen: Das Cabo Carbonara mit der Stadt Villasimius, wo wir im Haus von Berliner Freunden nun noch eine gute Woche Badeurlaub verbringen konnten. Da das Trimobil hier auch überwintern sollte, demontierten wir für die Kurzstrecken in die nähere Umgebung bereits die Dachbox und alles weitere Reisezubehör und hatten plötzlich das Gefühl, mit einem Sportgerät unterwegs zu sein. So rasten wir ausgelassen durch die Gegend und hatten in Kürze auch die ersten Passanten zu Probefahrten dabei. Besonders begeistert war unser Lieblings-Eisdealer, der offensichtlich in den nächsten Tagen kein anderes Thema mehr hatte, wenn wir in der Nähe waren.

A propos Begeisterung: Wenn wir unterwegs für jedes Foto vom Trimobil fünf Euro erhalten hätten, hätten wir die Reise problemlos noch einige Jahre fortsetzen können...:-)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Es war im Sommerurlaub 2017 in Ungarn, wir fuhren zu Viert mit dem Trimobil den Plattensee entlang, als unser vierjähriger Sohn vor Begeisterung sagte: "Ich möchte mit dem Fahrrad durch alle Länder in Europa fahren, wo kein Krieg ist." Das sind glücklicherweise momentan ziemlich viele. So viele, dass die Reise vermutlich mindestens ein Jahr dauern würde und damit augenblicklich auf unbestimmte Zeit verschoben werden musste, "wenn Du also groß bist und nicht mehr zur Schule gehst und Papa dann noch genauso fit ist wie Du..."

Irgendwann im Spätherbst fiel uns dann ein, dass 2018 tatsächlich das letzte Jahr mit zwei noch nicht schulpflichtigen Kindern für uns sein würde und die mögliche Elternzeit meiner Frau noch nicht annähend ausgeschöpft...

Also überlegten wir, wo wir denn in einer Jahreszeit radeln könnten, die halbwegs kompatibel zur Arbeit in meiner Fahrrad-Firma erscheint: Sardinien, das kannten wir schon und wir wollten schon lange einmal über die gesamte Insel radeln. Und warum nicht praktischerweise gleich mit dem Rad zu Hause starten?

Einige Monate und viele organisatorische Massnahmen später radelten wir am 16. August spätnachmittags los; ich hatte noch viel in der Firma zu erledigen und nach einem Sturz in der Werkstatt einige Tage zuvor einen letzten Termin bei der Physiotherapeutin ergattert. "Bevor wir gar nicht mehr loskommen, fahren wir jetzt noch, und wenn wir direkt hinterm Elbdeich zelten...!"

Also fuhren wir gen Westen Richtung Glückstadt - mit dem Segen des Bischofs, der auf seiner Sommerradtour mit einigen ADFClern direkt an unserem ursprünglich geplanten Abreisemontag noch in der Firma vorbeigeschaut hatte. In der Nacht zuvor hatte ich gerde noch eine Auto-Dachbox für unser gesamtes Gepäck auf unser 5 Jahre altes Trimobil montiert und an meine Armlehne ein Slipstream-Anhängerad mit 3-Gang Schaltung für unseren Sohn, damit ihm im Kindersitz neben seiner kleinen Schwester nicht langweilig wird. Eine gute Idee, wie sich spätestens in der Provence herausstellen sollte, denn ohne seine zusätzlichen "paar" Watt hätten wir so manchen unserer gut 7000 Höhenmeter nicht tretend überwunden...

Auf der Elbfähre kontaktierten wir eine "Warmshowers-Familie" mitten im Moor, die uns dann etwa 50 Kilometer später mit einem leckeren Abendbot auf der Terrasse im Sonnenuntergang erwartete. Und wir stellten fest, dass über 80 Kilometer selbst im norddeutschen Flachland das absolut obere Ende einer familiengerechten Etappe darstellen. Am nächtsn Mittag starteten wir dann nach einigen Regenschauern zu unserem guten Freund Falko Richtung Bremen - und radelten gut 100 Kilometer... Schließlich wollten wir trotz einiger Navigationsfehler und leerer Akkus in jedem Fall dort ankommen. Noch nix dazugelernt...

Bei schönstem Sommerwetter genossen wir mit Falko Bremen, das traditionelle Kutterpullen und ein Bad in der Weser, um , schon wieder erst gegen Mittag, aber nun mit voll geladenen Akkus, unseren Weg nach Süden fortzusetzen. Wir hatten uns eine Route entlang der Weser Richtung Rhein und dann die Rhone entlang ausgesucht, um die Alpen und die entsprechenden Anstiege und Gefällestrecken zu umgehen. Ich hatte unser Gesamtgewicht auf gut 300kg geschätzt, also im Bereich des Zulässigen, jedoch zeigte eine Anhängerwaage auf einem Gemüseacker bei Heidelberg später digitale 360 Kilo an. Das war zwar zu tolerieren, aber der hohe Schwerpunkt unseres Gepäcks forderte seinen Tribut...

Schon nach den ersten Kilometern zu den Schwiegereltern - meine Frau hatte vormittags mit den Kindern das Trimobil fertig beladen und ich war da noch in der Physiopraxis und fehlte daher als Ballast auf dem Rücksitz - mailte meine Liebste: Wir können so nicht losfahren; bei jeder Bodenunebenheit können wir umkippen! - Wir hatten leider keine Zeit gehabt, das voll beladene Trimobil vorher zu testen...

Mein Gewicht stabilisierte das Fahrzeug erheblich und mit etwas Übung hatten wir bereits in Glückstadt keinerlei Bedenken mehr, unsere "Reisegeschwindigkeit" von knapp 20 km/h auf allen Fahrbahnoberflächen zu fahren. Später sollten es dann des Öfteren auch über 50km/h werden, teils mehrere Kilometer bergab: Herrlich. Routine eben...

Bereits bevor wir in Leverkusen den Rhein erreichten - und hier zum ersten und einzigen Mal das Trimobil an einer Baustelle satt auf die Seite legten -, hatten wir abends bei einem netten Gastgeber in Beckum das Gefühl, einmal unter den Laufradverkleidungen nach dem rechten, genauer gesagt, nach den Speichen, sehen zu müssen: Ich ersetzte daraufhin 10 von 36 möglichen Speichen im linken Hinterrad, über dem ich üblicherweise meine knapp 90 Kilo "ablege". Genau 10 Ersatzspeichen hatte ich für die gesamte Reise dabei, so dass ich später die entstandenen Lücken abends gleichmässig über die beiden Hinterräder verteilte, bis in Marseille endlich das Paket mit den 20 neuen Speichen eintraf. Außerdem tauschten meine Liebste und ich nun unsere seit Jahren angestammten Positionen, um das Hinterrad zusätzlich um gut 30kg zu entlasten: Ich übernahm vorne die Lenkung und meine Frau die Navigation.

Der gute alte Rheinradweg beeinduckte uns landschaftlich und mit sehr schönen Gelegenheiten, direkt am Ufer zu zelten, ist allerdings teils in einem renovierungsbedürftigen Zustand: Er fällt häufig deutlich zum Rhein hin ab, was einem Zweirad relativ egal ist, ab 10 Grad Neigung ein Dreirad mit extrem hoher "Dachlast" aber in sehr kritische Situationen bringt - und die Hinterräder durch den so entstehenden Hebel extrem belastet. So platzte uns bei der Abfahrt durch ein kleines Weindorf plötzlich ein Reifen - und wir hatten doppeltes Glück: Uns folgte in dem Moment kein Fahrzeug und es gab in dem Ort einen Senioren, der in seinem Heizungskeller eine kleine Fahrradwekstatt betreibt - und auf dem Dachboden tatsächlich einen stabilen, unbenutzten 20" Schwalbe BMX-Reifen findet.

Der Reifenplatzer war neben den bereits zitierten Speichenbrüchen und zwei platten Schläuchen dann auch unsere langwierigste Panne auf 2500 Kilometern. Darüber hinaus mussten wir auf einer langen steilen Abfahrt auf Sardinien einmal eine halbe Stunde pausieren, um die Magura Scheibenbremsen wieder abkühlen zu lassen - und sicherheitshalber die - bis dahin noch nicht einmal sonderlich abgenutzen - Beläge auszutauschen.

Nach einigen Übernachtungen im Zelt, bei interessanten WarmShowers-Gastgebern sowie bei Freunden in Heidelberg überquerten wir Richtung Straßburg ein letztes mal den Rhein, um dann im gelobten "Land der Weißbrote" (unser Sohn) eine der schönsten Strecken zu erleben: Entlang des Kanalsystems Rhone au Rhin durch das französische Jura Richtung Rhone. Kanalradwege auf ehemaligen Treidelpfaden kannten wir schon von einer Liegeradreise am Kanal du Midi, aber die vielfältige Landschaft entlang des Radweges E6 mit Städten wie Chalon Sur Saone und Montbeliard ist großartig. Oft haben wir dierekt an einem ehemaligen Schleusenwärterhäuschen gezeltet und konnten dort freundlicherweise über Nacht unsere Akkus aufladen.

In Tournus findet sich an der Saone neben einer mächtigen Klosterkirche auch ein Fahrradmuseum, wo wir uns unter anderem die historische Verwandschaft unseres Trimobil ansehen konnten und einige Exponate auch fahren durften. In Lyon, das ich bisher nur beim Durchfahren mit dem Auto als Horror erlebt hatte ("toutes directions a Paris"...), hätten wir Tage verbringen können, hatten das aber leider nicht eingeplant: Der einzigartige Stadtpark ("können wir uns hier nicht um 22 Uhr einschließen lassen und zelten?") und der supermoderne Fahrradtunnel waren für uns die Highlights.

Leider sind die wunderbaren Radwege entlang der Rhone offensichtlich nicht für Dreiräder vorgesehen. Bedingt durch Poller und andere Absperrungen mussten wir immer wieder Um- oder gleich Rückwege fahren, so dass wir uns letztendlich entschieden, nur noch Straßen zu nutzen, auch wenn diese nicht immer der Ideallinie folgten, darunter auch stark befahrene Nationalstraßen. Hier habe ich erstmals am eigenen Leib erfahren, dass Dieselfahrverbote absolut Sinn machen: Ich litt drei Wochen lang unter Atemwegsinfekten.

Der traumhafte Sommer 2018 wurde gerade zu der Zeit unterbrochen, als wir im Ruhrgebiet unterwegs waren, so dass wir beispielsweise in Essen bei 13 Grad und Nieselregen in den Tag starteten. Damit hatten wir nicht gerechnet und waren bekleidungsmässig nicht darauf eingestellt. Also trösteten wir uns damit: "Spätestens in der Provence ist wieder Sommer...". Den erlebten wir zwar schon ab Straßburg, die Provence war aber meine meistersehnte Lieblingsregion: Wärme, Geruch, Landschaft - und irgendwann endlich im Mittelmeer baden. Dazu außerdem kräftiger Rückenwind, so dass wir schnell unterwegs waren und des Öfternen mal einen Tag pausieren konnten, wo es uns besonders gut gefiel. Zumal wir uns kurzfristig für die Sardinienfähre von Marseille aus entschieden hatten, die nur einmal pro Woche fährt, anstelle der günstigeren von Toulon aus. Der Hauptgrund: knapp 600 zusätzliche Höhenmeter, verteilt auf etwa 50 Kilometer.

So rollten wir eines morgens die letzen Küstenkilometer hinunter nach Marseille und unternahmen eine kleine Stadtrundfahrt zum Hafen, um bereits am kommenden Morgen in Porto Torres den ersten Cappucino con dulci zu uns zu nehmen. Unsere Kinder kennen und lieben bereits das zweite Frühstück in Italien, das wir unterwegs nach dem morgendlichen Bananenmatsch mit Haferflocken am Zelt genießen. Dann bläst uns der immer noch frische Nordwind innerhalb von zwei Stunden nach Alghero, wo wir einen uns noch unbekannten Campingplatz in den Dünen aufsuchen. Da wir gut im Zeitplan sind und wir nette Bekanntschaft schließen, genießen wir hier ein paar sonnige Tage.

Auf unserem Weg vom Nordwesten Sardiniens ans südöstliche Cabo Carbonara wählen wir die vermeindlich flachste Strecke entlang der Westküste, dann durch das Binnenland bis zu den Salinen vor der Hauptstadt Cagliari und dann weiter an der Südküste. Viele Strecken kennen wir bereits, allerdings nur vom Campingbus aus - und da gab es doch niemals so viele Serpentinen...?! Die Steigungen sind doch extremer als erwartet, allemal heftiger als in der Provence. In Verbindung mit einigen Dauerregentage in unserem Mini-Zelt führen sie uns noch einige Male an die Grenzen. Mit Untertützung unseres Sohnes im Wiegetritt auf seinem Anhängerad und lautstark angefeuert von unserer Tochter erklimmen wir tatsächlich jeden Hügel, wenn auch mit dem gefühlt allerletzen Watt...

Im Süden der Insel ist das Wetter dann wieder so schön wie schon in Alghero und meine Frau hat den Plan, die relativ quirlige Hafenstadt Cagliari von West nach Ost zu umfahren. Kurze Zeit später finden wir uns mit dem Trimbil auf einer gut frequentierten Autobahn Richtung Cagliari wieder, die wir dann nach etwa 10 Kilometern recht zügiger Fahrt - schließlich sind wir ohne jegliche Behinderung durch Ampeln oder Kreuzungen unterwegs - wieder verlassen. Ich war noch einmal verblüfft: Meine Frau hatte mir nicht gesagt, dass Sie die quirlige Stadt Cagliari südlich umfahren wollte - durch die noch quirligere Altstadt über Kopfsteinpflaster am Hafen...

Es war Sonnabend und so erlebten wir die Stadt und ihre Strände einmal so richtig im Wochenendtrubel. Nach einer Übernachtung auf einer kleinen Halbinsel lagen am letzten Tag der Tour noch einmal atemberaubend schöne Küstenabschnitte vor uns. Allerdings auch die ebenso atemberaubend anstrengende Küstenstraße...

Kurz vor dem letzen kleineren Anstieg konnten wir in der Abendsonne bereits unser Reiseziel am Horizont erkennen: Das Cabo Carbonara mit der Stadt Villasimius, wo wir im Haus von Berliner Freunden nun noch eine gute Woche Badeurlaub verbringen konnten. Da das Trimobil hier auch überwintern sollte, demontierten wir für die Kurzstrecken in die nähere Umgebung bereits die Dachbox und alles weitere Reisezubehör und hatten plötzlich das Gefühl, mit einem Sportgerät unterwegs zu sein. So rasten wir ausgelassen durch die Gegend und hatten in Kürze auch die ersten Passanten zu Probefahrten dabei. Besonders begeistert war unser Lieblings-Eisdealer, der offensichtlich in den nächten Tagen kein anderes Thema mehr hatte, wenn wir in der Nähe waren.

A propos Begeisterung: Wenn wir unterwegs für jedes Foto vom Trimobil fünf Euro erhalten hätten, hätten wir die Reise problemlos noch einige Jahre fortsetzen können...:-).